Auf den ersten Blick scheint der Ansatz, Kinder als Zielgruppe von Unternehmen zu sehen, eher unpassend. Das Kind zum Hauptadressaten einer Kampagne zu machen, stellt sich für viele Unternehmen jedoch als extrem lukrativ heraus.
Obwohl Kinder in ihrem Alter zwar meist noch ein Jahrzehnt vom Kauf ihres eigenen Autos oder eines eigenen Urlaubs entfernt sind, werden sie häufig schon in jungem Alter von Unternehmen adressiert. Der Grund dafür ist, dass diese junge Zielgruppe häufig über mehr Marktpotenzial verfügt, als man vorerst vermuten würde. Doch wie erlangt man nun die Aufmerksamkeit von Kindern? Am einfachsten gelingt es über das Storytelling, denn gute Geschichten verkaufen. Wenn man es schafft, eine Geschichte in das Produktmarketing zu integrieren, die Kinder anspricht und begeistert und parallel auch deren Eltern von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen in der Lage ist, hat man eine gute Grundlage für den Verkaufserfolg eines Produkts geschaffen. Sogenannte Fokusgruppen haben es sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, wie viel Kinder über Marken und deren Produkte wissen. Dabei liefert ihre Sicht natürlich wertvolle Informationen, die den Unternehmen sowohl für ihre Marktforschung, die eigene Produktentwicklung, als auch für die Erarbeitung ihrer Marketingstrategien dienlich sind. In speziellen Versuchsanordnungen werden Kinder beispielsweise mit Helmkameras ausgestattet und ihnen die Möglichkeit gegeben, in Supermärkten zu stöbern. Firmen können so besser die Perspektive von Kindern einnehmen und Werbung gezielt auf diese junge Zielgruppe anpassen.
Bereits mit 18 Monaten fangen Kinder an, bestimmte Produktetiketten zu erkennen, während sie ein Jahr später bereits dazu in der Lage sind, Gegenstände in ihrer Umwelt mit einem bestimmten Markennamen zu verknüpfen. Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass Erstklässler bereits 200 unterschiedliche Logos auseinander halten können. Hierbei ist nicht nur die Anzahl beeindruckend, sondern auch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Marken die Kinder ein ganzes Leben lang begleiten werden.
Werbende Unternehmen machen sich vor allem den sogenannten „Mere-Exposure-Effekt“ zunutze. Dieser besagt, dass kurze, mehrmalige Wiederholungen einer Produktwerbung dazu führen können, dass ein Produkt positiver vom Konsumenten wahrgenommen wird. Dies kann auch unterbewusst erfolgen. Unternehmen, die früh beginnen, Kinder mit ihren Werbeformen zu beeinflussen, könnten nach dieser Theorie bereits in einem sehr frühen Stadium einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder haben. Auch gerade weil Kinder im Vergleich zu Erwachsenen nur einer kleinen Auswahl an Medienformaten ausgesetzt sind, haben diese unbewusste Wiederholungen eine starke Wirkkraft. Kindermarketing erscheint also ein sehr erfolgsversprechender Ansatz, weshalb Marken darauf aus sind, ihre Logos so vielen Kindern und Jugendlichen so häufig wie möglich zu präsentieren. Zum großen Vorteil der Werber entwickelt der Mensch erst ab einem Alter von sieben bis acht Jahren die Fähigkeit, gewisse Informationen direkt als Werbung zu erkennen. Werbespots für Handys oder Autos, die während Zeichentrickserien ausgestrahlt werden, zielen nur sekundär auf die Zielgruppe der Eltern ab, primäre Zielgruppe sind Kinder, da sie wesentlich einfacher zugänglich sind für Werbemaßnahmen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass sich Vermarkter mit ihren Werbeformen stärker darauf konzentrieren, Kinder anzusprechen, damit diese auf ihre „ganz eigene Art die Mutter überzeugen“, anstatt sich direkt an die Mütter zu wenden.
Optisch sind die Werbemaßnahmen natürlich direkt auf die junge Zielgruppe zugeschnitten. Bunte Farben, schnelle Bewegungen und farbenfrohe Charaktere sollen in Spots schnell die Aufmerksamkeit der Kinder gewinnen. Durch die Verwendung von sogenannten „Stealth“-Techniken gelingt es Marketern, die Absicht einer Werbeanzeige geschickt zu verbergen, sodass schließlich Marken durch Assoziationen als vertrauenswürdig oder zuverlässig wahrgenommen werden.
Auf Grund der Zunahme der Social Media-Nutzung in den letzten Jahren investieren mittlerweile viele Firmen in Online-Marketingmethoden im Social Media-Bereich. Unternehmen schalten Anzeigen über Google Adwords oder engagieren Fürsprecher für ein erfolgreiches Influencer-Marketing, um Werbung möglichst natürlich und organisch in den Alltag der Jugendlichen miteinfließen zu lassen. Durch die Emotionalisierung über Social Media-Influencer oder die Möglichkeit der genauen Einordnung der Zielgruppe nicht nur nach Alter, sondern auch nach Interessen gelingt es Unternehmen, dem Publikum länger und stärker in Erinnerung zu bleiben und dieses von ihrem Produkt zu überzeugen.
Kinder finden immer früher den Zugang zu den neuen Medien, sodass interaktive Technologien an der Spitze der Spielkultur stehen. Gerade online in den virtuellen Welten verschwimmen die Verbindungen zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Inhalten. Durch In-Game Ads wird der Content zum festen Bestandteil des Entertainment-Erlebnisses, was zur positiven Bemessung der eingebetteten Marken führt. Die Spieler werden ermutigt, gesponserte Bannerwerbungen anzuklicken, damit sich die eigene virtuelle Währung innerhalb des Spiels erhöht. Diese Form des Content-Marketings ermöglicht es Kindern, mit dem Produkt zu interagieren, was z.B. bei simplen Produktplatzierungen in Filmen oder Serien nicht der Fall ist. Auf diese Art und Weise schaffen es Vermarkter, dass Kinder eine langjährige Loyalität gegenüber der eigenen Marke entwickeln. Zudem werden Kinder von Unternehmen durch verlockende Angebote (sog. „Freebies“) für Premium-Content anvisiert, der dann im Austausch gegen ein „Like“ erhältlich ist. Über diesen Weg erhalten Vermarkter Zugang zu den persönlichen Informationen der anvisierten Zielgruppe. Mittels komplexer Algorithmen wird die Werbung im nächsten Schritt auf das Interessenprofil der einzelnen Kinder zugeschnitten und kann dadurch größere Effekte erzielen.
Wer jetzt jedoch überaus angetan ist von den Marketingideen für die Kleinsten und diese Beispiele aus der Werbewelt gerne umsetzen möchte, sollte sich zuerst die folgende Frage stellen: Ist Kinderwerbung bis zu einem gewissen Alter unmoralisch oder überhaupt vertretbar?
Auch wenn die Beseitigung von „kindzentrierter Werbung“ auf längere Sicht unrealistisch sein ist, sollte jedoch an das Verantwortungsbewusstsein der Werbetreibenden appelliert werden. Es wäre sinnvoll, Kompromisse zu finden und den Einfluss von Unternehmen auf die Entwicklung der Kinder zu begrenzen. Dabei liegt die Verantwortung jedoch nicht nur bei den Akteuren der Werbewelt, sondern auch Eltern sind angehalten auf ihre Kinder zu achten, den Medienkonsum des Nachwuchs‘ zu beschränken und damit die tagtäglichen Kontaktpunkte zwischen Kind und Marken zu begrenzen.