20. 05. 2019 Blog

Tatort Marketing: mordsmäßig texten

Eine harmlose Begegnung im Supermarkt führt zu einer grässlichen Messerattacke. Unser bislang rechtschaffener Protagonist verfällt in einen Blutrausch, er entwickelt einen mörderischen Durst. Wer wird wohl sein nächstes Opfer sein?

Er traf sie im Supermarkt. Sie passte perfekt in sein Beuteschema: „Bei der ist was rauszuholen“, stellte er fest. Schnell packte er sein Opfer; er sperrte es in den Kofferraum und entführte es zu sich nach Hause. Mit einem großen Messer rückte er ihr dann auf die Pelle, die scharfe Klinge glitt geschmeidig durch ihr saftiges Fleisch. Seinem Würgegriff zum Trotz: Das widerspenstige Früchtchen war resistent. Er musste mächtig Druck ausüben – aber letzten Endes gab sie ihm was er wollte. Er presste alles aus ihr heraus: Doch die Ausbeute reichte ihm nicht. Er brauchte mehr…

Ihr wollt wissen, wie die Story weitergeht? Im letzten Absatz verraten wir es euch.

 

Auf jeden Fall ist euer Interesse schonmal geweckt – und das ist mehr als die meisten Werbetexte erreichen. Viele lassen sich nur schwer verdauen, fast so, wie ein falsch dosiertes Medikament. Sie lesen sich wie ein Beipackzettel – und bergen erschreckende Nebenwirkungen: Von Langeweile über Resignation und Desinteresse bis hin zu Verärgerung über die verschwendete Lektüre-Zeit.

 

Nicht aufzählen – sondern erzählen
Das muss nicht sein: Wer sich des Storytellings bedient, kann den Rezipienten mitreißen und begeistern – fast so, wie es ein guter Krimiautor zu tun vermag. Tatsächlich kann die Unterhaltungsliteratur als Blaupause dienen. Attention, Interest, Desire, Action: Wer im Marketing arbeitet, kommt am AIDA-Prinzip nicht vorbei. Und wer es einmal unter die Lupe genommen hat, weiß: Es weist Parallelen zur 3-Akt-Struktur eines Romans auf.

 

Am Anfang steht der furiose Knall!
Akt 1 (Attention): Fesselnde Romane beginnen zumeist mit einem Mord – damit erzeugen sie prompt Spannung und ziehen den Leser sogartig in die Story hinein.

 

In Marketing ist das Verfassen fulminanter Einstiege fast noch wichtiger als in der Literatur. Romane werden mit Begeisterung gelesen – wir können es kaum erwarten, in sie einzutauchen. Der Werbetext hingegen muss sich zunächst als lesenswert erweisen. Umso bedeutsamer ist es, dass dessen Überschrift und Einleitung direkt Aufmerksamkeit erregen.

 

Probleme, Probleme, Probleme
Akt 2 (Interest + Desire): Um Spannung aufzubauen, rücken im Krimi nun Hürden und Widerstände in den Fokus. Die Geschichte verkompliziert sich, die Neugier steigt ins Unerträgliche. Wie wird es ausgehen? Wird der Killer am Ende geschnappt?

 

Dieser Teil ist im Marketing besonders wichtig. Hier muss gezielt auf Probleme eingegangen werden, die den Leser tangieren und emotional berühren. Es sollten zielgruppenspezifische Sehnsüchte geweckt werden. Beispiel: Zahnbleaching-Gel: Susi ist Nachwuchs-Model, doch ihre tiefgelben Zähne stehen ihrem beruflichem Erfolg im Weg.

 

Die heilbringende Lösung: Ihr Produkt!
Akt 3 (Action): Im Krimi folgt nun das Happy End! Die Gefahr ist gebannt, alle Probleme sind bewältigt. Ähnlich verhält es sich beim Werbetext – nur steht hier im Zentrum der heilbringenden (Auf-) Lösung stets das vermarktete Produkt.

 

Geschichten können den Puls nach oben treiben, uns den Atem rauben, Glücksgefühle auslösen. Der Werbe-Texter zieht im Hintergrund die Fäden – mit seinen Erzählungen steuert er unsere Emotionen. Das passiert schon seit vielen Jahren: So wird das Auto dank zahlreicher storytelling-lastiger Marketing-Kampagnen längst mit Freiheit und die Zigarette mit dem Wilden Westen in Zusammenhang gebracht.

 

Damit Storytelling mitreißt und emotional berührt, muss sie natürlich nicht nur inhaltlich und strukturell, sondern auch sprachhandwerklich überzeugen – doch das soll an anderer Steller erörtert werden. So viel sei verraten: Überraschende Wendungen halten den Leser stets bei Laune!

 

… Und wo wir schon beim Thema sind: Wie ergeht es eigentlich unserem aggressiven Übeltäter vom Anfang des Artikels?

 

In ihm brodelte ein Mordsdurst! Doch was sollte er tun: Der Vorrat seiner Saftorangen war aufgebraucht. Was blieb ihm da anderes übrig: Er fuhr zum Supermarkt und besorgte sich Nachschub!