Wer sich als kreativer Schreiber verstand, feilte früher akribisch an seinen Sätzen, jonglierte mit Worten, ließ seiner Phantasie freien Lauf. So entstanden textliche Unikate, Spiegel der eigenen Persönlichkeit.
Heute gibt es das Internet – eine Plattform, die immer mehr Denkfaule zum Ideen- und Textklau verführt. Die Konsequenz: Den Schreibern kommt die Kreativität abhanden, wir kopieren, statt zu sinnieren. Artikel und Slogans verlieren an Authentizität, klingen flach und abgedroschen – das wirkt sich letztlich auch auf den Leser und seinen Sprachgebrauch aus, unser Wortschatz schrumpft, die Ausdrucksweise verflacht.
Umso mehr widerstrebt es der letzten Bastion leidenschaftlicher Schreiber, sich Texte von Google diktieren zu lassen. Ein Kampf gegen Windmühlen: Wer heute im World Wide Web gefunden werden will, muss sich notgedrungen dem Algorithmus der Suchmaschine unterwerfen. „Content is king“ – so hieß es früher. Doch der König ist tot! Tiefgang wurde feierlich verabschiedet, Kreativität beigesetzt, Originalität begraben. Jetzt ist Keyword King. So empfinden es viele – und sehen sich einer repressiven, freiheitslimitierenden Herrschaft ausgeliefert, die nur jene begünstigt, die sich besonders gekonnt anbiedern.
Und in gewisser Weise stimmt das ja auch: Nur wer von Google präferierte Suchbegriffe in seine Texte einflechtet, hat die Chance, im Netz gefunden zu werden. Aber: Letztlich ist das Ganze nicht weiter dramatisch. Schließlich sollten sich Schreiber ohnehin auf ihre jeweilige Zielgruppe einstimmen. Ein Artikel, der sich an ein Fachpublikum richtet, muss dessen Tonalität treffen und das einschlägige Fachvokabular enthalten, andernfalls wirkt er schnell unprofessionell und laienhaft. Wer sich vor dem Schreiben relevante Schlüsselwörter notiert, wird feststellen, dass das mitunter sehr inspirierend und überaus hilfreich sein kann. Gleichzeitig gilt: Eine allzu angepasste, farblose Sprache wird vom Leser mit Ignoranz abgestraft.
Der Leser will überrascht werden
Begriffe wie „innovativ“ oder „preiswert“ sind derart abgeschmackt und überstrapaziert, dass sie in Bedeutungslosigkeit versinken. Wieso sollte der Leser Versprechungen Aufmerksamkeit schenken, die jedes zweite Unternehmen macht, warum Claims ernst nehmen, mit denen sich das Gros aller Firmen schmückt? Sie bleiben nicht hängen, werden schlichtweg überlesen. Umgekehrt bedeutet das: Bei dem Überfluss an Plattitüden in Texten, die weder der Lust am Schreiben noch dem Informationswillen entspringen, sondern einzig auf Traffic abzielen, kann es für den Lesenden sehr erfrischend und einprägsam sein, zur Abwechslung mal mit einer unkonventionellen Formulierung überrascht zu werden.
Tatsache: Das Bemühen um eine gute Sprache bleibt im Zeitalter des SEO-Textens öfters auf der Strecke. Gleichzeitig jedoch hat Google ein nachvollziehbares Interesse daran, mit gutem Content bespeist zu werden. Nur so kann eine Suchmaschine schließlich funktionieren – indem sie bei der Suchanfrage relevanten, qualitativ hochwertigen Inhalt liefert. Längst berücksichtigt Google beim Ranking auch die Qualitätsmerkmale Rechtschreibung und Lesbarkeit sowie die Präsentation von Inhalten. Aber so oder so: Sprache – vor allem im Marketing – dient nicht nur der Kommunikation. Sie soll überzeugen, informieren, inspirieren. Texte sollen Leser nicht nur finden, sondern vor allem auch binden!
Die Kunst im Webtexten liegt also darin, den Spagat zu schaffen – einen Artikel zu schreiben, der die gängigen und relevanten Keywords enthält, ohne dabei abgedroschen zu klingen. Ein Aufruf an alle Schreiber da draußen: Macht es euch nicht zu leicht, spielt mit der Sprache! Wir arbeiten schließlich nicht mehr mit Steintafeln. Der Leser wird es euch danken, also nur Mut.