Sowohl die unterschiedlichen Lohnniveaus von Mann und Frau als auch die Preisdiskriminierung zwischen beiden Geschlechtern sind weltweit kontrovers diskutierte Themen.
Im Dezember 2015 wurde eine Studie vom New York City Department of Consumer Affairs veröffentlicht, die besagt, dass Frauen durchschnittlich 7% mehr für Produkte und Dienstleistungen zahlen als Männer. Diese Differenz ist auch als Pink Tax – Rosa Steuer – bekannt.
Die Studie zeigt ebenso, dass es Produkte und Dienstleistungen gibt, für die Männer einen höheren Betrag zahlen als Frauen. Dies lässt die Frage aufkommen, warum überhaupt Gender Pricing (geschlechtsspezifische Preisgestaltung) existiert und welche Gründe Unternehmen haben, ihre Produkte an Verbraucher geschlechtsspezifisch zu vermarkten. Werfen wir einen Blick auf die Hintergründe und lassen Sie uns erkunden, warum Gender Pricing ein wertvolles Marketing-Tool darstellt, um den Mehrwert einer Leistung oder eines Produkts für den Verbraucher bei der Preisgestaltung zu implementieren.
Aus Sicht des Verbrauchers ist es auf den ersten Blick einfach, auf die Tatsache wütend zu sein, dass Unternehmen Produkte für Männer und Frauen unterschiedlich bepreisen. Aus Unternehmenssicht handelt es sich jedoch um einen äußerst effektiven und wertvollen Weg der Preisbildung, wie sie auch in anderen Bereichen zum Tragen kommt. Vom wirtschaftlichen Standpunkt her führt es, wie es einige der erfolgreichsten Unternehmen vormachen, zu einer nachhaltigen Optimierung der Einnahmen. Werfen wir einen Blick in die USA, auf einen der größten Verbrauchermärkte der Welt. Die großen amerikanischen Discounter wie Wal-Mart, Target oder auch Kroger verkaufen die speziell an ein Geschlecht gerichteten Produkte zu unterschiedlichen Preisen an Männer und Frauen.
Man kann sich durchaus die Frage stellen, wie dies überhaupt funktioniert. Was, wenn sich die Verbraucher entscheiden, nicht die teureren Produkte zu wählen oder einfach die für das andere Geschlecht beworbenen zu kaufen? Ganz einfach – sie wären ganz schnell nicht mehr in den Regalen. Die Produkte würden abgesetzt werden. Tatsächlich aber stehen die Regale voll mit geschlechtsspezifischen Produkten aller Art. Schließlich will kein Mann wie eine Frau riechen und umgekehrt. Ergo ist der Handel in der Lage, die Produkte getrennt zu vermarkten und entsprechend auch unabhängige Preise zu definieren. Je nach Produktgruppe ist dann entweder die männliche oder weibliche Zielgruppe bereit, auch einen höheren Preis zu zahlen.
Im Fall von Hygiene- und Kosmetikartikeln sind es meist die Frauen. Beispiel Deodorant – Stellen Sie sich vor, dass ein Discounter in einem Laden den an sich gleichen Deo-Stick mit einer Kennzeichnung für Männer und einer für Frauen anbieten würde. Dabei wird für das weibliche Produkt 30 Cent mehr veranschlagt. Bei 1.000 verkaufen Einheiten je Typ in der Woche ergeben sich 300 Euro Mehreinnahmen gegenüber dem Verkauf zum gleichen Preis. In einem Jahr liegt der zusätzlich generierte Umsatz bereits bei 15.600 Euro. Und das ist nur ein Produkt mit einer verhältnismäßig niedrigen Verkaufszahl in unserer Kalkulation. Abgesehen von den dargestellten, theoretischen Mehreinnahmen ist der Handel in diesem Produktsortiment aber auch mit größeren Ausgaben für an Frauen gerichtete Produkte konfrontiert. Der Aufwand für Design, Packaging und Werbung liegt meist höher als bei Männerartikeln. Auch die Produktionskosten fallen hier häufig höher aus, da qualitativ hochwertigere Wirk- und Zusatzstoffe verwendet werden, um den Bedürfnissen der Zielgruppe möglichst gerecht zu werden.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet also eigentlich kein richtiger Grund sich aufzuregen. Ist es etwa unmoralisch? Es gibt eine Menge Dinge im Leben, die unmoralisch sind. Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump beispielsweise degradiert Frauen, verschmäht andere Kandidaten und machte sich zuletzt über einen Reporter mit Behinderung lustig. Und dennoch weiß der Mann 86% der republikanischen Stimmen hinter sich und ist deren einziger verbleibender Kandidat im Rennen um das Amt als mächtigster Mann der Welt. Milliardär, Inhaber zahlreicher Unternehmen, Marken, Veranstaltungen, Bücher und Organisationen – ob Trump dies erreicht hat, indem er es immer jedem recht gemacht hat? Wohl eher nicht.
In den Staaten besitzt Trump ein solides Image und er verfolgt in seiner Kampagne um das Amt als Präsident einen außergewöhnlichen Kommunikationsansatz. Aus deutscher Sicht nur schwer nachvollziehbar, dass er seinen Weg auf diese Weise erfolgreich gestalten kann, aber es funktioniert nun mal. In einer gewissen Weise ist Donald Trump also auch ein Vorbild für andere Geschäftsleute, Unternehmer und CEOs. Er ist unbequem, spaltet die Öffentlichkeit und führt seine Strategie dennoch zum Erfolg. Auch wenn wohl viele Amerikaner einiges rund um Trump für unmoralisch halten dürften, so sehen sie dennoch den Mehrwert, den er ihnen verspricht und sind deswegen bereit, den Preis dafür zu zahlen. Ebenso verhält es sich mit Verbrauchern, die, erkennen sie den Mehrwert für sich, einen höheren Preis akzeptieren.
Der Star-DJ Calvin Harris hat jüngst mit Gender Pricing Schlagzeilen gemacht. Für ein Konzert in Las Vegas bot er seine Tickets Männern und Frauen zu unterschiedlichen Preisen an. Der gleiche Club, das gleiche Konzert, die gleichen Plätze – zwei Preise. In diesem Fall liegt die Festsetzung der Preise beim Veranstalter, dem Nachtclub. Und ob irgendwo in Berlin oder auf dem Strip in Las Vegas – häufig zahlen Männer einen höheren Eintrittspreis als Frauen. Beim Konzert von Harris lagen die Tickets für Frauen bei 40 Dollar, Männer mussten 100 Dollar für die Eintrittskarte zahlen. Die Strategie ist überall die gleiche und wieder steht der wahrgenommene Mehrwert für die jeweilige Zielgruppe im Mittelpunkt der Überlegungen. Bei niedrigerem oder gar freiem Eintritt für Frauen entsteht bei den männlichen Partygängern der Gedanke, dass im Club eine verhältnismäßig hohe Anzahl an Frauen vor Ort ist. Frauen wiederum erfreut nicht nur der niedrige Preis. Bei ihnen stärkt dies auch unterbewusst das Selbstwertgefühl, da die Herren relativ viel Geld in die Hand nehmen, um in den Club und damit ihre Nähe zu gelangen.
Für die Besitzer von Bars und Discotheken ist dies ein lukratives Geschäft. Nehmen wir einmal an, dass 500 Männer an der Show von Calvin Harris teilnehmen. Das macht einen Umsatz von 50.000 Dollar. Aufgrund des niedrigen Preises nehmen doppelt so viele Frauen teil, was 40.000 Dollar macht. In Summe ein Umsatz von rund 90.000 Dollar. Würden die Tickets zum gleichen Preis von 100 Dollar das Stück verkauft werden, müsste von einem Nachfragerückgang ausgegangen werden. So würden bspw. nur 700 Menschen das Konzert besuchen. Es ergibt sich ein Umsatzverlust von 20.000 Dollar. Zudem sind davon auch der Umsatz von Getränken, Merchandise & Co. betroffen. Auch gilt es, zu bedenken, dass letztlich weniger Menschen vor Ort sind, die später über die Veranstaltung sprechen – Und über die Wichtigkeit von persönlichen Empfehlungen für das Konsumverhalten brauchen wir nicht diskutieren. Das Ziel der Unternehmen, ob Kosmetikhersteller oder Disco-Betreiber, ist es, den für die jeweilige Zielgruppe optimalen Preis zu finden, der den höchsten Gesamtertrag generiert. Würden Sie als Unternehmer anders handeln?
Wichtig ist, zu verstehen, dass Gender Pricing keine Abwertung eines Geschlechts darstellt oder gar sexistische Absichten hat. Die geschlechtsspezifische Preisgestaltung oder breiter betrachtet, das Thema der Preisdiskriminierung im Allgemeinen sowie dynamische Preisgestaltung sind schlichtweg äußerst hilfreiche Marketing- und Geschäftsstrategien, die in immer kompetitiveren Wettbewerbsumfeldern an Bedeutung für den Unternehmenserfolg gewinnen. Die aufgeführten Beispiele reißen das Thema auch lediglich an. Preisdiskriminierung findet sich an ganz vielen Stellen. Sei es der Studentenrabatt an der Kinokasse oder Nachlässe bei Mitgliedschaften für spezielle Berufsgruppen. Das ist in den seltensten Fällen guter Wille, sondern auf den Cent kalkuliertes Geschäft. Man kann dies jetzt als unethisch oder falsch abtun, aber ändern wird diese Ansicht nichts. Und die Chancen von Donald Trump, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, wachsen ebenso von Tag zu Tag. Solange der Mehrwert für das Produkt die Zielgruppe erreicht und deren Bedürfnisse erfüllt, lassen sich auch dementsprechende Preisstrukturen definieren. So sollten Unternehmen keine Hemmungen haben, stets im Rahmen des Zumutbaren, ihren Preis frei zu bestimmen.